Spiritueller Impuls: JA! zu den Falten

IMPULS

Wenn man als Paar miteinander alt wird, kann sich da noch etwas Neues entwickeln? Mir fällt dazu die biblische Geschichte von Abraham und Sara ein. Gott hat Abraham einst gerufen, seine Heimat zu verlassen. Da waren er und seine Frau schon nicht mehr die Jüngsten. Trotzdem sind sie aufgebrochen, weil Gott ihnen Land und viele Nachkommen verheißen hat. Das liegt nun lange zurück. Sie sind im Land angekommen, doch Sara ist kinderlos geblieben. Jetzt sind sie alt und haben sich bei den Eichen von Mamre niedergelassen. Abraham sitzt im Schatten der Bäume und Sara werkelt im Zelt. Da kommen drei unbekannte Männer vorbei, und nach guter orientalischer Manier heißt sie Abraham willkommen und bewirtet sie großzügig. Sara soll schnell ein paar Brote backen. Während sie backt, lauscht sie im Zelt, was die Fremden zu erzählen haben, denn normalerweise passiert nicht mehr viel in ihrem Leben.

Auf einmal hört sie den einen fragen: „Abraham, wo ist deine Frau Sara?“ Und er fährt fort: „In einem Jahr komme ich wieder, dann wird deine Frau Sara einen Sohn haben.“ Sara ist perplex: Wie soll sie noch ein Kind bekommen? Über dieses Alter ist sie weit hinaus. Sie lacht, aber es klingt bitter. So lange hat sie schmerzlich darauf gehofft, schwanger zu werden. Der Fremde hat an dieser alten Wunde gerührt. Eigentlich hatte sie längst damit abgeschlossen.

Mich berührt diese Szene. Als erstes die Frage an Abraham: Wo ist deine Frau Sara? Weiß er überhaupt noch, wo seine Frau innerlich ist, was in ihr vorgeht? Und dann die Verheißung: Sara wird ein Kind bekommen – trotz ihres hohen Alters. Das kann ich auch symbolisch verstehen. Es wird sich etwas ereignen, das die beiden, die einander fremd geworden sind, wieder miteinander verbindet. Dazu müssen sie sich ihren Lebenswünschen stellen. Das tut weh. Aber so kommen sie auch in Bewegung. Abraham und Sara sind bereit sich zu öffnen. Abraham heißt die Fremden willkommen und Sara lauscht.

Daraus lese ich auch eine Hoffnung für alte Paare: miteinander alt zu werden muss nicht bedeuten, dass sich nichts mehr ereignet. Wenn man offen bleibt und den Sehnsüchten Raum gibt, kann das Leben immer noch einige Überraschungen parat haben.

So wie bei Sara und Abraham. Sie bekommen tatsächlich noch ein Kind, den Isaak. In dem Namen steckt das hebräische Wort für Lachen. Mit ihrem Kind im Arm sagt Sara: „Gott ließ mich lachen und jeder, der davon hört, wird mit mir lachen.“

  • Vielleicht habt ihr Lust, noch ein wenig tiefer in Sara und Abraham hinein zu spüren.
    Dann probiert folgendes kleine Rollenspiel aus.

Eine übernimmt die Rolle der Sara, der andere die einer guten Freundin/ eines guten Freundes. Sara erzählt von der besonderen Begegnung mit dem Engel. Als Gegenüber hörst du einfühlsam zu, fragst nach und versuchst zu verstehen, was Sara jetzt umtreibt. Danach könnt ihr die Rollen tauschen. Der Freund/die Freundin ist jetzt Abraham und die andere Person hört anteilnehmend zu.

Legt danach die verschiedenen Rollen bewusst wieder ab („Jetzt bin ich wieder …“) und erzählt euch gegenseitig, was euch an Sara und Abraham in dieser biblischen Erzählung angesprochen und berührt hat.

Was wünscht ihr euch an Gemeinsamkeiten für eure Zukunft?

Über dieses Thema als Paar ins Gespräch zu kommen, kann auch (zu) schwierig sein, weil es viele Wunden berührt, die noch weh tun und nicht verheilt sind.

Dann kannst du einen Brief an Sara bzw. Abraham schreiben. Dieses innere Gespräch kann dazu helfen, sich der eigenen Sehnsüchte und Verletzungen bewusst zu werden und sie jemandem mitzuteilen. Ein erster Schritt, dem vielleicht weitere folgen können….

Gebet

Guter Gott!

Schon lange leben wir zusammen und sind als Paar miteinander älter geworden. Wir spüren, dass die Kraft nachlässt. Wir haben vieles miteinander erlebt, was uns miteinander verbunden hat: ………

Aber wir spüren auch, dass wir uns bisweilen fremd sind – manche Sehnsüchte haben sich in unserer Beziehung nicht erfüllt. Manches ist noch offen. Manche Verletzungen sind noch nicht verheilt. Du bist ein Gott, die Zukunft verheißt. Schenke uns deine Zukunft. Lass deine Verheißungen für uns wahr werden. Zaubere auch im Alter manches überraschte Lächeln in unser Gesicht. Amen

Zum Abschluss könntet ihr euch das wunderschöne Liebeslied von Reinhard Mey anhören, das er seiner Frau gewidmet hat.

Liedtext

Wie vor Jahr und Tag, liebe ich Dich doch,
Vielleicht weiser nur und bewußter noch,
Und noch immerfort ist ein Tag ohne Dich
Ein verlor'ner Tag, verlor'ne Zeit für mich.
Wie vor Jahr und Tag ist noch immerfort
Das Glück und Dein Name dasselbe Wort.
Allein, was sich geändert haben mag,
Ich lieb' Dich noch mehr als vor Jahr und Tag.

Mit wie viel Hoffnungen hat alles angefangen,
Wieviel Erwartung auf dem Weg, der vor uns lag.
Wir sind seitdem manch' Stück darauf gegangen,
Und doch ist er für mich neu wie vor Jahr und Tag.
Ich zähl' die Jahre, die seitdem verstrichen,
Schon lange nicht mehr an den Fingern einer Hand,
Und doch ist nichts von Deinem Bild verblichen,
Vermiß' ich nichts, was ich liebenswert daran fand.

Ich habe tausendmal versucht, Dich zu erlernen,
So, wie man aus einem Buch lernen kann, ich Tor.
Und sah mit jeder Lektion sich mein Ziel entfernen,
Und heute weiß ich weniger noch als zuvor.
Ich habe tausendmal versucht, vorauszusehen,
Wie Du wohl handeln würdest, aber jedesmal,
Wenn ich schon glaubte, alles an Dir zu verstehen,
Erschien es mir, als säh' ich Dich zum ersten Mal.

Lachen und Weinen sind in jener Zeit verklungen,
Die in Siebenmeilen-Stiefeln an uns vorübereilt,
Und von den besten all meiner Erinnerungen
Hab' ich die schönsten, meine Freundin, wohl mit Dir geteilt.
Nein, keine Stunde gibt's, die ich bereute,
Und mir bleibt nur als Trost dafür, dass keine wiederkehrt:
Viel mehr als gestern liebe ich Dich heute,
Doch weniger, als ich Dich morgen lieben werd'.

Quelle: Offizielle Homepage von Reinhard Mey - www.reinhard-mey.de

Mechthild Alber

Bildquelle: Jared Rice auf Unsplash.com