Brief 2 – Hier spielt das Leben!
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„Herzlich willkommen: Tritt ein! Hier spielt das Leben!“
Stellt Euch vor, so begrüßt ihr den nächsten Menschen, der an eurer Türe klingelt. Das wäre mal eine besondere Begrüßung!
Was würde dieser Mensch wohl wahrnehmen? Welche Gerüche? Welche Farben, Möbelstücke, Fotos, Dekorationen, welche persönlichen Dinge in eurem Zuhause?
Wenn ich das selbst bei mir zu Hause mache, fällt mir die Wand mit den vielen Familienfotos auf. Da sind lustige Schnappschüsse dabei, die mich zum Schmunzeln bringen, aber auch Bilder von Urlauben und besonderen Momenten. Sie zeigen mir auch, dass schon einige Zeit vergangen ist, seit das letzte Bild aufgehängt wurde. In der Ecke im Gang stehen unsere dreckigen Wanderschuhe, die auf den nächsten Einsatz warten. Und dann fällt mir noch die alte Kommode auf, die schon bei meiner Oma im Flur stand. Schön, auch so ein Familienstück immer wieder vor Augen zu haben. Das alles gehört zu unserem Leben!
Ich finde die Idee spannend, mit neuen, fremden Augen durch die eigenen Lebensräume zu gehen und hinzuschauen. Kann jemand, der uns als Paar nicht kennt, eigentlich sehen, was unser Leben auszeichnet, charakterisiert und lebendig macht? Was wir gerne machen und was wir gut lassen können?
Und wie ist das bei euch?
In eurem Zuhause
zeigen sich wahrscheinlich nicht nur euer gemeinsamer Lebensstil,
sondern auch, was ihr als Partner mit euren Eigenheiten in euer Leben
einbringt. Mit Augenzwinkern gesagt: Nicht jede:r teilt die gleiche
Ordnungsliebe. Dieser Eindruck kann sich mit den unterschiedlichen
Aspekten eures Lebens, mit den beruflichen Anforderungen und dem, was
euch in eurer Freizeit oder ehrenamtlichen Tätigkeit beschäftigt,
ändern.
Anderen Menschen die Türe öffnen, sie hereinbitten und
ihnen dadurch am Leben Anteil schenken, ist für mich ein
Vertrauenszeichen. Es bedeutet für mich: Du kennst mich so gut, dass ich
mich nicht verstellen oder verstecken muss.
Tritt ein und sei für eine kurze Zeit mein Gast!
Und schon verändert sich etwas: Manche Menschen haben als Besucher unbewusst die Gabe, neue Perspektiven zu eröffnen und Gedanken sortieren zu helfen. Das tut mir besonders in Situationen gut, in denen der Eindruck überwiegt, dass es im Moment zu viel ist, dass das Leben anstrengend ist mit all den Anforderungen, die tagtäglich auf mich einströmen.
Und an anderen Tagen ist alles anders, denn das Leben zeigt sich in
vielfältigen „Räumen“. Dann wird es ganz leicht, den gemeinsamen Alltag
zu bewältigen. Prioritäten werden verschoben, Lebensphasen kommen und
gehen, und jedes Mal erhält man als Paar die Chance, sich
mitzuverändern, bewusst zu gestalten und in gewissem Maße Einfluss zu
nehmen. Manchmal gelingt dies besser und dann muss man lernen, dass das
Leben doch anders spielt als man gedacht hat.
Neben dem eigenen Zuhause können auch andere Orte Lebensorte sein. Nicht nur daheim spielt das Leben, sondern vielleicht auch in der Schule, am Arbeitsplatz, im Chor oder Sportverein… oder gar im Auto. Ich erlebe das öfter. Besonders lange Autofahrten werden zu den Highlights im Erzählen. Wenn wir losfahren, ist da noch die Frage, ob wir an alles gedacht haben, daheim abgesperrt ist etc... Und dann kommt eine kurze Zeit des Schweigens und auf einmal sprudelt es zu Themen, die im Alltag gar nicht so viel Platz haben und plötzlich sind wir nicht nur am Ziel – sondern auch einander viel näher!
Deshalb ist es eine Einladung an euch, jeden Tag mit dem Angebot an euch selbst zu beginnen: Herzlich willkommen! Hier spielt das Leben!
Kerstin Steffe
- Geht doch einmal ganz bewusst und viel langsamer als sonst durch eure Eingangstüre. Lauft nur ein paar Schritte weit und lasst euch aber mindestens dreimal so viel Zeit. Schaut euch um: Was fällt euch auf? Was spricht euch an? Worüber wundert ihr euch vielleicht auch ein bisschen?
- Den eigenen Lebensraum mit anderen zu teilen, ist ja nicht immer einfach, weil verschiedene Bedürfnisse aufeinandertreffen und die Anforderungen sich verändern. Wie geht es euch im Miteinander? Überlegt gemeinsam, welche Überschrift über eurem Zuhause stehen könnte.
- Und als Erinnerung an vieles, was schon hinter euch liegt: Schaut euch alte Fotos an und schwelgt in Erinnerungen: Weißt du noch… als wir…?
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