Logo
Artikel6

 

„Meine Güte, du machst es einem aber auch schwer heute!“ Papa hört sich richtig wütend an. „Musst du gerade sagen. Da bin ich eiiiiin mal ein paar Minuten länger am Handy und du rastest hier gleich aus“, antwortet Jakob verärgert. Papa wird lauter: „Wir hatten gesagt: um 20 Uhr ist Schluss und jetzt schau mal auf die Uhr!“ – Jakob schnaubt: „Genau, wir haben das gesagt. Als ob – du hast das gesagt. Ich darf hier doch nie was bestimmen.“
Da sind zwei ganz schön in Rage … Dabei mögen sie sich doch eigentlich und wollen sich das Leben gar nicht schwer machen, sondern leichter.
Trotzdem blaffen sie sich so lange weiter an, bis Jakob wütend und stampfend das Wohnzimmer verlässt: „Du behandelst mich doch eh’ wie ein Baby.“
Was für ein blöder Abend für ihn und seinen Papa. Können sich die beiden irgendwie „erleichtern“?
Ein Trick lautet: echtes Zuhören – so richtig, mit Interesse!
Jakob hat natürlich gehört, dass sein Papa wütend ist. Und auch, dass das mit dem Smartphone zu tun hat.
Aber echtes Zuhören bedeutet, wirklich verstehen zu wollen, wieso jemand so und nicht anders reagiert. Stellen wir uns vor, Jakob würde ihn fragen: „Papa, warum findest du das denn so blöd, wenn ich das Handy länger in der Hand halte?“ Zugegeben: das klingt erst mal etwas seltsam und unrealistisch ?. Doch dann könnte sein Vater erklären, dass es ihm gar nicht um die Minuten geht, die Jakob länger am Handy ist. Er hat in letzter Zeit einfach häufig das Gefühl, dass das, was er mit Jakob bespricht, keine Bedeutung mehr für ihn hat. Dass es ihm egal ist. Und das stört ihn.

„Nein, nein ich will mich nicht beschweren.
Ich will mich eigentlich erleichtern“

Jupiter Jones - Denn sie wissen nicht was sie tun

Ich weiß, da muss man schon ein:e echte:r Zuhörmeister:in sein und sich manchmal auf die Zunge beißen, um nicht direkt aus dem Bauch heraus das erste zu sagen, was einem in den Kopf kommt. Aber es lohnt sich! Dann würde natürlich auch Jakob erklären, warum er so wütend geworden ist. Er kann dann sagen, dass er es unfair findet, dass sein Vater einfach mit dieser 20-Uhr-Regel um die Ecke kam und die plötzlich galt – ohne ihn zu fragen. Er ist jetzt schließlich schon groß – hat Papa selbst letztens noch gesagt. Aber er darf noch nicht mal mitentscheiden, wie lange er am Handy ist? Er ist doch kein Baby mehr, da darf man jawohl mal was mitbestimmen.

Auf einem großen Zettel sammeln die beiden Ideen, wie sie damit umgehen wollen. Da dürfen alle Vorschläge drauf, ohne dass einer was dagegen sagen darf. Jakobs Lösung „Ich nehme mir das Handy einfach, wenn ich will“ steht da, aber auch Papas „Wir schenken das Handy deiner Schwester“. Erst dann reden die beiden darüber, welche von den Lösungen die beste ist.

Das Ergebnis: Um 20 Uhr ist Schluss mit dem Handy. Aber: Wenn es Jakob gerade wichtig ist, darf er selbst bestimmen, ob er länger macht – bis zu fünf Minuten. Für die gleiche Zeitspanne legt er das Handy am nächsten Tag früher weg. Sie verabreden, dass sie das zwei Wochen lang ausprobieren. Danach besprechen sie gemeinsam, ob etwas verbessert werden muss.

Die beiden sitzen nebeneinander und stoßen auf das Ergebnis mit einer Apfelschorle an: Das fühlt sich gut und eben auch „leichter“ an. Nicht mehr „du“ gegen „mich“, sondern wir beide gegen das Problem.

Euer David

Kesser Lifehack: „Wir beide gegen das Problem“
Wie das funktionieren kann, könnt ihr hier nachlesen:
Buchtipp: „Kess erziehen. Der Elternkurs“ von Christof Horst.
Online-Tipp: www.elternbriefe.de/konflikte-familienalltag

Wenn es nach einem Streit „wieder gut“ zwischen uns ist, fühle ich mich tatsächlich so, als wären da ein paar Steine im Bauch gewesen, die jetzt wieder weg sind. Überlegt mal gemeinsam: Wann habt ihr euch das letzte mal so richtig schön versöhnt?

Einige Familien haben Rituale, wenn Sie sich versöhnen: Sich in den Arm nehmen, „schön, dass es dich gibt“-sagen, einen Witz erzählen, ein Kreuz auf die Stirn zeichnen …

Meine Freundin Marija und ihre Schwester schicken sich zum Beispiel immer dieses Lied, wenn sie sich wieder vertragen haben:


Fallen euch ein paar gute Ideen für solche Rituale ein?
Schreibt sie auf unser "Versöhnungs-Sofa".


Hier könnt ihr das Versöhnungs-Sofa herunterladen, beschreiben und vielleicht auch ausdrucken.

Gottes Segen über unsere Schritte,
wenn sie auseinander gehen,
weil wir gerade unseren Raum für uns brauchen,
weil uns auch mal ärgern dürfen,
weil wir das auch sagen dürfen!

Gottes Segen über unsere Schritte
die wir wieder aufeinander zugehen,
wenn wir uns ausgesprochen haben,
wenn wir uns überlegt haben,
wie es für uns beide gut ist,
wenn wir spüren dürfen,
wie schön dein Arm um meine Schulter liegt,
und wir uns leicht, fast schwerelos fühlen.

Amen

(Den "Bettkantenimpuls" für diese Woche findet ihr unter: >www.elternbriefe.de/fasten-aktion-2022)


Erst später zur Aktion dazu gestoßen? Hier sind die bisherigen Briefe: Brief 1 | Brief 2 | Brief 3 | Brief 4 | Brief 5

Foto: pixabay.com, Illustration: Patrick Schoden